Kindertagespflege heute – Zwischen Bindung, Bildung und Bürokratie
Die Kindertagespflege hat sich in den letzten Jahren stark verändert – und das in vielerlei Hinsicht. Sie ist längst nicht mehr nur eine Übergangslösung oder ein „Notnagel“, sondern eine anerkannte und wichtige Säule der frühkindlichen Betreuung in Deutschland. Doch was macht die Kindertagespflege heute aus, welchen Herausforderungen stehen Tagespflegepersonen gegenüber – und was macht sie so besonders?
Eine individuelle und familiäre Betreuungsform
Kindertagespflege bedeutet vor allem eines: Nähe. Die Betreuung in kleinen Gruppen – in der Regel bis zu fünf gleichzeitig betreuten Kindern (§ 43 SGB VIII) – ermöglicht eine intensive Bindung zwischen Tagespflegeperson und Kind. Diese enge Beziehung fördert nicht nur das Vertrauen, sondern ist auch eine wichtige Grundlage für die kindliche Entwicklung.
Beispiel: Frau S., Tagesmutter in Köln, betreut vier Kinder im Alter von 10 Monaten bis 3 Jahren. In ihrem Tagesablauf ist Platz für Rituale, Spielzeiten, Mahlzeiten und viel Zuwendung – „jedes Kind bekommt hier Raum, wie es ihn braucht“, sagt sie.
Frühkindliche Bildung mit Herz und Verstand
Kindertagespflegepersonen sind pädagogisch geschult – sie absolvieren mindestens 160 Stunden Qualifizierung nach dem DJI-Curriculum oder dem QHB. Regelmäßige Fortbildungen sind verpflichtend.
Bildung geschieht hier im Alltag: Beim Tischdecken lernen Kinder mathematische Grundlagen, beim Vorlesen wird Sprachkompetenz gefördert, im Garten wird die Natur erfahrbar gemacht. (Quelle: Deutsches Jugendinstitut, 2021)
Wertvolle Arbeit – unter herausfordernden Bedingungen
Die Herausforderungen sind dennoch groß. Die Bezahlung variiert stark von Kommune zu Kommune. In Berlin liegt die Vergütung aktuell (Stand 2024) bei rund 5,50 Euro pro Kind und Stunde – in anderen Regionen deutlich darunter.
Beispiel: In Niedersachsen berichtete eine Kindertagespflegeperson, dass sie monatlich bis zu fünf Stunden allein für die Abrechnung mit dem Jugendamt aufwendet – unbezahlte Zeit.
Kindertagespflege als Berufung
Trotz der Herausforderungen bleibt die Motivation hoch. Viele Tagespflegepersonen sehen ihre Arbeit als Berufung. „Es ist ein besonderes Gefühl, die Entwicklung eines Kindes so intensiv zu begleiten“, sagt Herr M., Tagesvater aus Hamburg.
Regionale Besonderheiten
Je nach Bundesland unterscheiden sich nicht nur die Fördersätze, sondern auch die Zugangsvoraussetzungen. Während etwa in Bayern kommunale Zuschüsse besonders großzügig ausfallen, profitieren Eltern in Brandenburg von einem beitragsfreien Platz in der Kindertagespflege ab dem ersten Lebensjahr.
Fazit: Eine Betreuung mit Zukunft
Die Kindertagespflege ist modern, professionell und systemrelevant. Studien zeigen, dass Kinder in der Tagespflege mindestens ebenso gut gefördert werden wie in der Kita – bei individuellerer Betreuung. (Quelle: DJI, Bertelsmann Stiftung 2020)
Was es braucht: mehr Wertschätzung, bessere Bezahlung und klare Rahmenbedingungen – bundesweit.